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Немецкий язык с Генрихом Бёллем. Хлеб ранних лет - Генрих Бёлль

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2          Als es draußen still wurde (когда снаружи стало тихо), blickten wir uns an (мы посмотрели на нас = переглянулись; anblicken), und Mutter sagte ruhig (сказала спокойно): „Jedesmal, wenn er kam (каждый раз, когда он приходил), hatten sie Streit wegen des Geldes (они ссорились из-за денег; der Streit — ссора, спор), das sie ihm gab (которые она давала ему; geben-gab-gegeben), um Lebensmittel zu kaufen (чтобы купить продукты); er schrie sie immer an und sagte (он всегда кричал на неё и говорил; anschreien), die Preise seien wieder gestiegen (что цены снова поднялись; steigen-stieg-gestiegen), und sie glaubte ihm nie (а она ему никогда не верила); es war sehr häßlich (это было очень скверно), was sie sich sagten (что они говорили), aber sie gab ihm immer wieder das Geld (но она всегда опять давала ему деньги)." Mutter schwieg (замолчала; schweigen-schwieg-geschwiegen), blickte zum Bett der Verstorbenen hin (взглянула на кровать умершей; hinblicken) und sagte leise (и сказала тихо): „Sie waren zwanzig Jahre miteinander verheiratet (они были женаты двадцать лет), und im Krieg ist ihr einziger Sohn gefallen (и на войне пал = погиб их единственный сын). Manchmal nahm sie das Foto unter dem Kopfkissen heraus (иногда она вынимала фотографию из-под подушки; herausnehmen) und weinte (и плакала). Es liegt noch da (она /фотография/ ещё лежит там), auch ihr Geld (деньги тоже). Er hat es nicht gefunden (он их не нашёл; finden-fand-gefunden). Und das Fleisch", sagte sie noch leiser, „das Fleisch hat sie noch gegessen (мясо она еще съела = успела съесть)." Und ich versuchte mir vorzustellen (и я попытался себе представить), wie das gewesen sein musste (как это, должно быть, было): die dunkle, gierige Frau (тёмную, алчную женщину), schon im Sterben (уже при смерти), wie sie in der Nacht neben Mutter lag (как она ночью лежала рядом с матерью) und das Fleisch aus der Büchse aß (и ела мясо из жестяной банки).

1          Vielleicht war Vater damals alles andere als Mutters Krankheit gleichgültig: ich versuchte jedenfalls, wenn ich zu Hause war, das Wort Hunger und alle Anspielungen auf meine Nöte zu vermeiden, denn ich wusste und sah auch, dass Vater viel weniger zu essen hatte als ich: er war gelb im Gesicht, mager und abwesend. Wir gingen dann, um Mutter zu besuchen; auch sie bot mir immer zu essen an, wenn ich an ihrem Bett saß, Dinge, die sie sich von den Mahlzeiten abgespart oder von Besuchern mitgebracht bekommen hatte: Obst oder eine Flasche Milch, ein Stück Kuchen, aber ich konnte nichts essen, weil ich wusste, dass sie lungenkrank war und gut essen musste. Aber sie drängte mich und sagte, es würde verderben, wenn ich es nicht äße, und Vater sagte: „Cläre, du musst essen — du musst wieder gesund werden." Mutter weinte, legte den Kopf zur Seite und ich konnte von dem, was sie mir anbot, nichts essen. Neben ihr im Bett lag eine Frau, in deren Augen ich den Wolf sah, und ich wusste, dass diese Frau alles essen würde, was Mutter stehen ließ, und ich spürte Mutters heiße Hände an meinem Arm und sah in ihren Augen die Angst vor der Gier ihrer Nachbarin. Mutter flehte mich an und sagte: „Lieber Junge, iss doch, ich weiß doch, dass du Hunger hast, und ich weiß, wie es in der Stadt ist." Aber ich schüttelte nur den Kopf, gab den Druck von Mutters Händen zurück und flehte sie stumm an, mich nicht mehr zu bitten, und sie lächelte, sprach nicht mehr vom Essen, und ich wusste, dass sie mich verstandet! hatte. Ich sagte: „Vielleicht wärst du besser zu Hause, vielleicht wärst du besser in einem anderen Zimmer", aber Mutter sagte: „Es gibt keine anderen Zimmer, und nach Hause lassen sie mich nicht, weil ich ansteckend bin." Und später, als wir mit dem Arzt sprachen, Vater und ich, hasste ich den Arzt seiner Gleichgültigkeit wegen; er dachte an etwas anderes, als er mit uns sprach, blickte zur Tür oder zum Fenster hinaus, während er Vaters Fragen beantwortete, und ich sah seinen roten, fein und sanft geschwungenen Lippen an, dass Mutter sterben würde. Doch die Frau, die neben Mutter lag, starb früher. Als wir sonntags mittags kamen, war sie gerade gestorben, das Bett war leer, und ihr Mann, der die Nachricht eben bekommen haben musste, kam ins Krankenzimmer und suchte im Nachtschrank ihre Habseligkeiten zusammen: Haarnadeln und eine Puderdose, Unterwäsche und eine Schachtel Zündhölzer; er tat es stumm und hastig, ohne uns zu grüßen. Klein war er und mager, sah wie ein Hecht aus, hatte eine dunkle Haut und kleine, ganz runde Augen, und als die Stationsschwester kam, schrie ef sie an wegen einer Büchse Fleisch, die er im Nachtschrank nicht gefunden hatte. „Wo ist das Corned beef?" schrie er, als die Schwester kam. „Ich habe es ihr gestern gebracht, gestern abend, als ich von der Arbeit kam, um zehn, und wenn sie in der Nacht gestorben ist, kann sie es nicht mehr gegessen haben." Er fuchtelte mit den Haarnadeln seiner Frau vordem Gesicht der Stationsschwester herum, gelblicher Schaum stand in seinen Mundwinkeln. Er schrie fortwährend: „Wo ist das Fleisch? Ich will das Fleisch haben — ich schlage die ganze Bude zusammen, wenn ich die Büchse Fleisch nicht zurückbekomme." Die Schwester wurde rot, fing an zu schreien, und ich glaubte ihrem Gesicht anzusehen, dass sie das Fleisch geklaut hatte. Der Kerl tobte, er warf die Sachen auf den Boden, stampfte mit den Füßen drauf herum und schrie: „Ich will das Fleisch haben — Hurenbande, Diebe, Mörder." Es dauerte nur wenige Sekunden, dann lief Vater auf den Flur, um jemand zu holen, und ich stellte mich zwischen die Schwester und den Mann, weil er anfing, auf die Schwester loszuschlagen; aber er war klein und behende, viel flinker als ich, und es gelang ihm, die Schwester mit seinen kleinen, dunklen Fäusten gegen die Brust zu schlagen. Ich sah, dass er durch seinen Zorn hindurch grinste, mit gebleckten Zähnen — so wie ich es bei den Ratten gesehen habe, die die Küchenschwester des Lehrlingsheimes in der Falle gefangen hatte. „Das Fleisch, du Hure, du", schrie er — „das Fleisch" — bis Vater mit zwei Wärtern kam, die ihn packten und in den Flur schleppten, aber noch durch die geschlossene Tür hindurch hörten wir ihn schreien: „Ich will das Fleisch wiederhaben, ihr Diebe."

2          Als es draußen still wurde, blickten wir uns an, und Mutter sagte ruhig: „Jedesmal, wenn er kam, hatten sie Streit wegen des Geldes, das sie ihm gab, um Lebensmittel zu kaufen; er schrie sie immer an und sagte, die Preise seien wieder gestiegen, und sie glaubte ihm nie; es war sehr häßlich, was sie sich sagten, aber sie gab ihm immer wieder das Geld." Mutter schwieg, blickte zum Bett der Verstorbenen hin und sagte leise: „Sie waren zwanzig Jahremiteinander verheiratet, und im Krieg ist ihr einziger Sohn gefallen. Manchmal nahm sie das Foto unter dem Kopfkissen heraus und weinte. Es liegt noch da, auch ihr Geld. Er hat es nicht gefunden. Und das Fleisch", sagte sie noch leiser, „das Fleisch hat sie noch gegessen." Und ich versuchte mir vorzustellen, wie das gewesen sein musste: die dunkle, gierige Frau, schon im Sterben, wie sie in der Nacht neben Mutter lag und das Fleisch aus der Büchse aß.

1          Vater schrieb mir oft in den Jahren nach Mutters Tod (отец писал мне часто в годы после смерти матери), immer öfter (всё чаще; oft — частый), und seine Briefe wurden immer länger (и его письма становились всё длиннее; lang — длинный). Meistens schrieb er, er würde kommen, um zu sehen, wie ich lebe, aber er kam nie, und ich lebte sieben Jahre lang allein in der Stadt (и в течение семи лет я жил в городе один). Damals nach Mutters Tod schlug er mir vor (он предложил мне; vorschlagen, schlagen-sclug-geschlagen — бить), meine Lehrstelle zu wechseln (сменить моё место ученика) und eine in Knochta zu suchen (и поискать какое-нибудь /место/ в Кнохта), aber ich wollte in der Stadt bleiben (но я хотел остаться в городе), weil ich anfing (так как я начал; anfangen), mich zurechtzufinden (ориентироваться, обживаться;sich zurechtfinden); weil ich anfing, hinter Wickwebers Schliche zu kommen (раскрывать замыслы/хитрости Виквебера), und mir daran lag (и мне было важно), die Lehre bei ihm zu beenden (закончить учёбу у него). Auch hatte ich ein Mädchen kennen gelernt (также = кроме того, я познакомился с девушкой; kennenlernen), das Veronika hieß; sie arbeitete in Wickwebers Büro, sie war blond und strahlend (и сияющей), ich war oft mit ihr zusammen (я часто бывал вместе = встречался с ней); wir gingen an Sommerabenden zusammen am Rhein spazieren (летними вечерами мы ходили гулять возле = по берегу Рейна; spazieren gehen) oder Eis essen (или еcть мороженое), und ich küsste sie (я целовал её), wenn wir im Dunkeln ganz unten auf den blauen Basaltsteinen der Kaimauer saßen (когда мы в темноте совсем внизу сидели на синих базальтовых камнях причала: «причальной стенки»; der Kai — набережная, die Mauer — /каменная/ стена; sitzen-saß-gesessen), wo unsere bloßen Füßen im Wasser hingen (где наши босые ноги висели в воде = свесив ноги в воду; hängen-hing-gehangen). Wenn die Nächte klar waren (если ночи были ясными), wir den Strom übersehen konnten (мы могли окинуть взглядом реку; der Strom — поток), schwammen wir auf das Wrack hinaus (мы выплывали к обломкам /корабля/; schwimmen-schwamm-geschwommen), das mitten im Strom lag (которые лежали в середине реки), setzten uns auf die eiserne Sitzbank (садились на железную скамейку; sitzen — сидеть, die Bank — скамейка), auf der früher abends der Schiffer mit seiner Frau gesessen hatte (на которой прежде сидели вечерами шкипер со своей женой); die Wohnung (жильё), die hinter der Bank gelegen hatte (которое располагалось позади скамейки), war längst abmontiert (было давно разобрано), wir konnten uns nur gegen eine Eisenstange lehnen (мы могли только прислониться к железной штанге; sich lehnen). Unten im Schiff gurgelte das Wasser (внизу в судне журчала вода). Ich traf Veronika seltener (я встречал Веронику реже; treffen-traf-getroffen; selten — редкий), nachdem Wickwebers Tochter die Arbeit in dem Büro übernommen hatte (после того, как дочь Виквебера взяла на себя работу в бюро; übernehmen) und Veronika entlassen worden war (и Вероника была уволена; entlassen). Ein Jahr später heiratete sie einen Witwer (годом позже = через год она вышла замуж за вдовца; spät — поздний), der ein Milchgeschäft hat (у которого была молочная; die Milch — молоко, das Geschäft — магазин), nicht weit von der Straße entfernt (не далеко удалённая = недалеко от улицы), in der ich jetzt wohne (на которой я сейчас живу). Wenn mein Auto überholt wird (когда мой автомобиль проходит проверку) und ich mit der Straßenbahn fahre (и я еду трамваем), sehe ich Veronika hinten in ihrem Laden (вижу я Веронику сзади = в глубине её лавки): sie ist immer noch blond und strahlend (immer noch — всёещё), aber ich sehe in ihrem Gesicht die sieben Jahre (но я вижу в её лице /эти/ семь лет = следы этих семи лет), die seitdem vergangen sind (которые прошли с тех пор; vergehen). Sie ist dick geworden (она стала толстой), und Kinderwäsche hängt auf der Leine hinten im Hof (детское бельё висит на верёвке сзади во дворе): rosa, die wird für ein kleines Mädchen (розовое, видимо, для маленькой девочки), und blaue, die wird für den Jungen sein. Einmal stand die Tür offen (однажды дверь была открыта; offenstehen, stehen-stand-gestanden), und ich sah sie hinten im Laden mit ihren großen, schönen Händen Milch ausschöpfen (и я увидел её внутри лавки, черпающей молоко своими большими красивыми руками). Manchmal hatte sie mir Brot mitgebracht von einem Vetter (иногда она приносила мне хлеб от двоюродного брата; mitbringen), der in einer Brotfabrik arbeitete (который работал на хлебозаводе), — Veronika hatte darauf bestanden (Вероника настояла на том), mich zu füttern (чтобы меня кормить), und jedesmal, wenn sie mir ein Stück Brot gab (когда она мне давала кусок хлеба), hatte ich diese Hände nah vor meinen Augen gehabt (эти руки были у меня близко перед глазами). Doch einmal hatte ich ihr den Ring von Mutter gezeigt (однако, как-то раз я показал ей кольцо матери) und hatte in ihren Augen dasselbe gierige Licht gesehen (и увидел в её глазах такой же алчный огонёк), das in den Augen der Frau gewesen war, die neben Mutter im Krankenhaus gelegen hatte.

1          Vater schrieb mir oft in den Jahren nach Mutters Tod, immer öfter, und seine Briefe wurden immer länger. Meistens schrieb er, er würde kommen, um zu sehen, wie ich lebe, aber er kam nie, und ich lebte sieben Jahre lang allein in der Stadt. Damals nach Mutters Tod schlug er mir vor, meine Lehrstelle zu wechseln und eine in Knochta zu suchen, aber ich wollte in der Stadt bleiben, weil ich anfing, mich zurechtzufinden; weil ich anfing, hinter Wickwebers Schliche zu kommen, und mir daran lag, die Lehre bei ihm zu beenden. Auch hatte ich ein Mädchen kennengelernt, das Veronika hieß; sie arbeitete in Wickwebers Büro, sie war blond und strahlend, ich war oft mit ihr zusammen; wir gingen an Sommerabenden zusammen am Rhein spazieren oder Eis essen, und ich küsste sie, wenn wir im Dunkeln ganz unten auf den blauen Basaltsteinen der Kaimauer saßen, wo unsere bloßen Füßen im Wasser hingen. Wenn die Nächte klar waren, wir den Strom übersehen konnten, schwammen wir auf das Wrack hinaus, das mitten im Strom lag, setzten uns auf die eiserne Sitzbank, auf der früher abends der Schiffer mit seiner Frau gesessen hatte; die Wohnung, die hinter der Bank gelegen hatte,war längst abmontiert, wir konnten uns nur gegen eine Eisenstange lehnen. Unten im Schiff gurgelte das Wasser. Ich traf Veronika seltener, nachdem Wickwebers Tochter die Arbeit in dem Büro übernommen hatte und Veronika entlassen worden war. Ein Jahr später heiratete sie einen Witwer, der ein Milchgeschäft hat, nicht weit von der Straße entfernt, in der ich jetzt wohne. Wenn mein Auto überholt wird und ich mit der Straßenbahn fahre, sehe ich Veronika hinten in ihrem Laden: sie ist immer noch blond und strahlend, aber ich sehe in ihrem Gesicht die sieben Jahre, die seitdem vergangen sind. Sie ist dick geworden, und Kinderwäsche hängt auf der Leine hinten im Hof: rosa, die wird für ein kleines Mädchen, und blaue, die wird für den Jungen sein. Einmal stand die Tür offen, und ich sah sie hinten im Laden mit ihren großen, schönen Händen Milch ausschöpfen. Manchmal hatte sie mir Brot mitgebracht von einem Vetter, der in einer Brotfabrik arbeitete, — Veronika hatte darauf bestanden, mich zu füttern, und jedesmal, wenn sie mir ein Stück Brot gab, hatte ich diese Hände nah vor meinen Augen gehabt. Doch einmal hatte ich ihr den Ring von Mutter gezeigt und hatte in ihren Augen dasselbe gierige Licht gesehen, das in den Augen der Frau gewesen war, die neben Mutter im Krankenhaus gelegen hatte.

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